Angela Stöckl-Wolkerstorfer ist Physiotherapeutin aus Niederösterreich und politisch aktiv. Seit 2013 ist sie Mitglied des Bundesrats, am 15. Oktober stellt sie sich der Wahl zur Abgeordneten zum Nationalrat. Physio Austria hat die engagierte Politikerin zum Interview getroffen und nach ihren politischen Zielen und Motivationen gefragt.
Wie lange sind Sie schon politisch aktiv?
Politisch aktiv war ich bereits als Jugendliche, bei der JVP. Ich komme aus einer 300-Seelen-Gemeinde im Weinviertel. Der Wunsch, mich im Gemeinderat aktiv einzubringen, rührt aus meiner Zeit als Pfarrgemeinderätin. Mein Ziel war, meine Heimatgemeinde lebens- und liebenswerter zu gestalten.Was gibt es Schöneres, als Projekte umsetzen zu können und für andere Menschen da zu sein?
Wie haben Sie Ihren Weg in die Politik gefunden?
Ich bin Mutter von drei Töchtern und war auch im Elternverein aktiv. Der Übergang von meiner Tätigkeit im Pfarrgemeinderat und Elternverein zur Arbeit im Gemeinderat war beinahe fließend. Ich habe 2010 für die Gemeinderatswahlen kandidiert und bin aufgrund meiner Vorzugsstimmen in den Gemeinderat eingezogen. Danach wurde ich Sozialausschussvorsitzende, habe in dieser Funktion Jungfamilien besucht und zum Beispiel einmal im Jahr eine Babyjause organisiert. Mit dieser gab ich Familien die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen. Ich habe weiters einen Rote-Nasen-Lauf organisiert; einen Benefizlauf für alle Generationen. Die politische Arbeit auf regionaler Ebene macht mir bis heute große Freude.
Seit 2013 sind Sie Mitglied des Bundesrats. Sind Sie trotz Ihres politischen Engagements noch als Physiotherapeutin tätig?
Derzeit bin ich zweimal pro Woche im Pflege- und Betreuungszentrum Mödling als Physiotherapeutin tätig. Als ich im Mai 2013 das Bundesratsmandat angenommen habe, habe ich von 30 auf 15 Wochenstunden reduziert. Ich kann meinen Beruf sehr gut von meiner politischen Funktion trennen. Ich betrete das Pflege- und Betreuungszentrum um halb 8 Uhr in der Früh als Physiotherapeutin und verlasse es um 15 Uhr als Physiotherapeutin. Dann fahre ich zum Beispiel zu Veranstaltungen und bin in meiner politischen Funktion als Bundesrätin oder Gemeinderätin aktiv. Es ist für mich nicht schwer, das zu trennen.
Inwiefern können Sie Ihre Kompetenz als Physiotherapeutin in Ihrer politischen Funktion nutzen?
Ich denke, gerade wenn es um gesundheitspolitische Themen geht, habe ich aufgrund meiner Ausbildung das nötige Fachwissen, um mich bei Debatten zu Wort melden zu können. Ich erlebe die Arbeit im Pflege- und Betreuungszentrum und weiß, welche Probleme es gibt, sei es seitens des Personals, seitens der Bewohner. Ich kann all mein Wissen ins Parlament mitnehmen.
Inwiefern hat Sie Ihre Expertise als Angehörige eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes in Ihrem Werdegang unterstützt?
Ich habe mein Mandat über die Landesliste 2013 bekommen, als eine engagierte Frau aus dem urbanen Bereich mit medizinischer Ausbildung gesucht wurde. Alle Kriterien haben damals zugetroffen. Ich habe dieses Mandat mit großem Respekt und mit Ehrfurcht angenommen. Persönlich gehe ich sehr gerne auf andere Menschen zu, um zu hören, was sie bewegt. Wichtig war für mich immer, in meinem Brotberuf weiter tätig zu sein, um den Bezug zur Basis - zum Menschen - nicht zu verlieren und um die Entwicklungen in Pflege- und Betreuungszentren mitzuerleben und zu erkennen, wo die Herausforderungen für die Zukunft in der Pflege und in der Therapie liegen werden.
Welche gesundheitspolitischen Ziele haben Sie?
Ich möchte eine hochwertige Gesundheitsversorgung für alle Österreicher und Österreicherinnen mit dem besonderen Schwerpunkt auf Prävention sicherstellen. Jedes zweite Kind, das heute geboren wird, hat eine Lebenserwartung von 100 Jahren. Wir müssen den Rahmen schaffen, dass die Menschen gesund alt werden. Da müssen wir präventiv arbeiten. Der Slogan von uns Physiotherapeuten lautet doch „Prävention vor Rehabilitation“. Da müssen wir ansetzen.
Welche Ziele betreffen insbesondere die gehobenen MTD?
Ich will MTD-Angehörige vermehrt als hochkompetente Expertinnen und Experten im Gesundheitsbereich zeigen, die auf Augenhöhe mit anderen Gesundheitsberufsgruppen den Menschen zur Seite stehen. Immerhin bilden MTD-Angehörige die drittgrößte Berufsgruppe im Gesundheitswesen in Österreich.
Welche politischen Entwicklungen dürfen Berufsangehörige der MTD erwarten?
In der letzten Bundesratssitzung haben wir zum Beispiel die Einführung der Primärversorgungszentren beschlossen. Ich denke, mit dieser neuen Struktur eröffnen sich gerade den Angehörigen der MTD-Berufe neue Chancen. Es gibt noch immer extramurale Leistungen der medizinisch-technischen Dienste, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden: Jede Familie muss, etwa wenn sie eine Diätologin nach Hause holt, das selbst bezahlen. Es braucht mehr mobile Personen – auch im MTD-Bereich. Hier ist noch viel Arbeit nötig. Aber die Primärversorgungszentren sind bestimmt ein Schritt in die richtige Richtung, auch mit Hinblick auf die multiprofessionelle Zusammenarbeit. Ich kann mit verschiedenen Berufsgruppen sprechen und mich austauschen. Es geht um das Miteinander: Dass einer vom anderen auch was lernen kann und miteinander gearbeitet wird.
Sehen Sie es als Widerspruch, wenn sich Personen parteipolitisch und zugleich berufspolitisch engagieren?
Nein, überhaupt nicht. Politische Arbeit ist auf weiten Strecken auch berufspolitische Arbeit. Das ist auch im Parlament sichtbar: Da gibt es Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Interessensgruppierungen wie Gewerkschaft, Landwirtschaftsvertreter, Wirtschaftsvertreter. Ich halte es für essenziell, dass auch eine Angehörige eines MTD-Berufes im Parlament darauf schaut, dass die Interessen der Berufsangehörigen gewahrt werden und dass dazu auch die nötige Expertise im Parlament vorhanden ist. Damit können MTD-Angehörige auch wirklich rechnen, wenn ich ein Nationalratsmandat bekomme.
Welche Empfehlung haben Sie für Berufsangehörige, die Interesse daran haben, sich politisch zu engagieren?
Wer sich politisch engagieren möchte, tut gut daran, sich im eigenen Umfeld einzubringen und so zu lernen, wie Politik ganz allgemein funktioniert, wie Entscheidungen getroffen werden und wie politische Kommunikation aussieht. Das geht z.B. auch im Rahmen einer politischen Liste, Fraktion, Gemeinschaft. Wenn man offen ist, etwas bewegen will, sich einbringen will, ist das eine schöne Arbeit: sich für andere Menschen einsetzen, zuhören, was sie bewegt. Als Person sollte man teamfähig sein und Kompromisse schließen können. Man sollte sich auch immer im Klaren darüber sein, dass auch politische Mitbewerber für eine Überzeugung stehen und argumentieren.
Vielen Dank für das Gespräch.
Auch ich bedanke mich bei Physio Austria sehr herzlich.