Kompetenzportrait Michaela Sieger

VON DER FÄHIGKEIT IN MÖGLICHKEITEN ZU DENKEN

Michaela Sieger ist erfahrene Orthoptistin in der Spezialambulanz für Orthoptik, Strabologie sowie Kinder- und Neuroophthalmologie am Landeskrankenhaus Klagenfurt. Neben ihrer Expertinnentätigkeit in der klinischen Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation von Sehstörungen ist sie als Lehrbeauftragte an der FH Campus Wien tätig und gefragte Vortragende bei Fachkongressen im deutschen Sprachraum. Die passionierte Imkerin im Dialog über Kompetenzen, Haltungen und den unschätzbaren Wert der Erfahrung:

Die heute 54-jährige Kärntnerin kann auf einen über 32-jährigen Erfahrungsschatz als Expertin in ihrem Beruf als Orthoptistin zurückgreifen. Und das tut sie auch. Denn wie sie erzählt, liegt ihre Stärke in ihrer fachlichen Kompetenz im Zusammenwirken mit ihrer langjährigen Praxiserfahrung, weshalb sie oftmals bei sehr komplexen Aufgabenstellungen hinzugezogen wird. Zu ihrem Aufgabengebiet gehören die Diagnose und Behandlung von Sehstörungen, wie Schielen, Schwachsichtigkeit und Augenbewegungsstörungen. Ihr Spezialgebiet ist die Frühförderung von sehbehinderten, oftmals mehrfach behinderten, Kindern.

 

Zielstrebigkeit und Eigeninitiative

Begonnen hat ihre Karriere aber ganz anders. Als Tochter einer kinderreichen Familie fehlten dieser damals die Mittel, um weiterführende Ausbildungen für alle Kinder finanzieren zu können. So begann Michaela Sieger nach der Matura in einer Wiener Bank zu arbeiten. Schnell erkannte sie, dass der früh in ihr entstandene Wunsch mit Kindern zu arbeiten im Finanzbereich keine Erfüllung finden würde und orientierte sich zielstrebig neu. Ihr Fachwissen erlernte sie an der damaligen orthoptistischen Schule am Wiener AKH. Bereits einen Tag nach ihrem Abschluss begann sie im Landeskrankenhaus Klagenfurt – der damals wie heute einzigen Augenabteilung im gesamten Bundesland – als dienstleitende Orthoptistin in der Spezialambulanz für Orthoptik, Strabologie, Kinder und Neuroophthalmologie zu arbeiten. Die Aufgaben, erzählt sie schmunzelnd, haben sich mit den medizinischen Möglichkeiten gewaltig verändert. Sie kenne jeden Winkel Kärntens deshalb so gut, weil sie früher neben dem Klinikdienst für Vorsorgeuntersuchungen in Kindergärten durch das gesamte Bundesland getourt sei. 32 Jahre an Erfahrungen reicher steht sie heute unter anderem im OP oder betreut eigenverantwortlich PatientInnen aller Generationen. Die große Liebe und Begeisterung zur Arbeit mit Kindern ist ihr dabei über die Jahre geblieben.

 

Social Skills: Empathie, Achtsamkeit und der Wert des Zuhörens

Michaela Sieger erzählt vom durchgetakteten Klinikalltag und den täglichen Herausforderungen, die damit verbunden sind. Sie habe gelernt, dass es in sozialen Berufen besonders wichtig ist, auf die eigenen Ressourcen und den persönlichen Energielevel zu achten. Denn nur wenn das gelingt, kann man sich langfristig hoch achtsam den unterschiedlichen Bedürfnissen der PatientInnen – und bei Kindern auch deren Familien – widmen. Und genau das ist für sie von besonderer Bedeutung. Gute OrthoptistInnen wären immer auch hervorragende Beobachter und Kommunikatoren – nicht im Sinne der Selbstdarstellung, sondern im Dialog mit ihren PatientInnen. Gerade bei Augenerkrankungen ist es besonders wichtig, im Gespräch genau hinzuhören, um die alltäglichen Problemstellungen erkennen – und noch viel wichtiger – dadurch neue Möglichkeiten und Lösungsansätze andenken zu können. Eine Fähigkeit, die wir gesellschaftlich betrachtet immer mehr verlieren, müsse hier unbedingt praktiziert werden, unterstreicht Michaela Sieger ihre empathische Haltung als „care giver“.

 

Haltung, Fachkompetenz & Qualität

Michaela Sieger zögert keine Sekunde, um auf die Frage wie ihre KollegInnen sie beschreiben würden mit dem Attribut „fachlich streng“ zu antworten. Dabei schmunzelt sie hörbar und fügt hinzu, dass dies wohl auch seine Berechtigung hätte, da die penible Einhaltung von beispielsweise Prozessen der Dokumentation oder der perfekten Vorbereitung medizinischer Settings Grundlage und somit nicht verhandelbar wären. Seit einem Besuch in einem indischen Kinderheim reifte in ihr eine gewisse Haltung an Demut und Dankbarkeit über die Möglichkeiten, die Österreich im Bereich der Medizin PatientInnen in der Therapie anbieten kann. Gleiches gilt für die Qualität der Ausbildungsmöglichkeiten, wie sie hinzufügt.

 

Patentierte Performance und Innovationskraft

Bei täglich über 100 PatientInnen in der Augenambulanz bliebe für Forschung wenig Zeit. Und doch ist es ihr im Rahmen ihres Engagements im Fachverband der Orthoptisten gelungen, als Leiterin eines Arbeitsteams ein Untersuchungsset – die sogenannte „cvi-Box2“ (cvi steht für cerebral visual impairment) – zur Patentreife zu bringen. Darin beinhaltet findet sich eine Zusammenstellung von Untersuchungsmaterialien für die Erstellung eines visuellen Funktionsprofils bei Kindern im Volksschulalter bei Verdacht auf Vorliegen einer cerebral bedingten Sehstörung.

Ihre langjährige Erfahrung, ihre Innovationskraft aber vor allem auch die Fähigkeit des aktiven Zuhörens machen wohl den entscheidenden Unterschied für ihre PatientInnen, da Michaela Sieger u.a. durch diese Kompetenzen konkrete neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensqualität schafft. Ein Antrieb und eine Freude, die über all die Jahre für sie gleich wichtig geblieben sind.